Starker EE-Zubau + proaktives Abregeln: Wie Europas Energiesystem günstiger wird
29.09.25

Studien zeigen: Schneller EE-Zubau, gezieltes Abregeln in Überschussstunden und aktive Flexibilität (Speicher, Lastverschiebung, Preissignale) können die Gesamtkosten des europäischen Stromsystems deutlich senken – bei hoher Versorgungssicherheit.
Neue Modellierungen zeigen: Ein schneller Ausbau von Wind- und Solarenergie, kombiniert mit gezieltem (proaktivem) Abregeln in Überschussphasen und kurzfristiger Speicherung, kann die Gesamtkosten des europäischen Stromsystems spürbar senken – bei gleichzeitig hoher Versorgungssicherheit.
Was die Studien zeigen
Überbau + Kurzzeitspeicher decken ~92,5 % der Nachfrage: Forscher aus den Niederlanden haben berechnet, dass Europa seinen Strombedarf zu rund 92,5 % mit Wind- und Solarenergie sowie Batteriespeichern decken kann. Die restlichen 7,5 % werden über grünen Wasserstoff in längeren „Dunkelflauten“ abgesichert. Jeder der 37 betrachteten Staaten könnte dabei mindestens 80 % Eigenversorgung erreichen. Ein entscheidender Befund: Gezieltes Abregeln von Überschüssen ist günstiger, als Netze und Speicher so groß auszubauen, dass jede erzeugte Kilowattstunde genutzt wird.
Curtailment als „Feature“: Statt jede Kilowattstunde zu speichern oder ins Netz zu drücken, kann es bewusst kosteneffizient sein, bestimmte Spitzen zu begrenzen. Das gilt nicht als Versagen, sondern als optimale Systemstrategie.
Flexibilität spart Milliarden: Wenn Speicher, Wärmepumpen, E-Autos und intelligente Steuerungen Verbrauch verschieben, sinkt der Netzausbaubedarf erheblich. Analysen sprechen von bis zu 29 Milliarden Euro Einsparung pro Jahr und einer Reduzierung von Spitzenlasten um 60 GW.
Fachbegriffe einfach erklärt
Überbau (Overbuilding): Damit ist gemeint, dass man mehr Wind- und Solaranlagen baut, als im Durchschnitt gebraucht werden. In Zeiten hoher Sonneneinstrahlung oder starkem Wind entsteht so ein Überschuss. Dieser wird teilweise genutzt (z. B. für Speicher oder günstigen Stromverbrauch), teilweise aber auch bewusst abgeregelt.
Curtailment (Abregeln): Darunter versteht man das bewusste Drosseln oder Abschalten von Wind- oder Solaranlagen, wenn gerade zu viel Strom im Netz ist. Das passiert entweder automatisch durch Netzbetreiber oder geplant im Rahmen eines flexiblen Energiesystems. Wichtig: Das ist kein Fehler, sondern ein kalkuliertes Steuerungsinstrument, das Gesamtkosten reduziert.
Warum gezieltes Abregeln Kosten senkt
Günstige Erzeugung: Wind- und Solaranlagen haben keine Brennstoffkosten. Es ist daher oft billiger, ein paar Prozent der Produktion abzustellen, statt Milliarden in Netze oder Speicher zu investieren.
Systemstabilität: Anstatt das Netz zu überlasten, wird nur so viel Strom eingespeist, wie auch gebraucht oder gespeichert werden kann.
Bessere Wirtschaftlichkeit: Weniger Netzausbau, weniger Speicher-Overdimensionierung – die Gesamtkosten für das System sinken.
Europa 2025: Hoher Zubau – wachsende Überschüsse
Durch den starken Ausbau von Photovoltaik und Windkraft entstehen an sonnigen oder windreichen Tagen häufig Überschüsse.
In einigen Regionen Europas wurde 2025 bereits ein zweistelliger Anteil an EE-Erzeugung abgeregelt. Das zeigt den Handlungsbedarf für Flexibilitätslösungen, gleichzeitig aber auch die Chance, wie stark der Ausbau schon vorangekommen ist.
Mit Speichern, Lastverschiebung und Marktmechanismen lassen sich diese Überschüsse künftig deutlich besser nutzen.
Was das praktisch bedeutet
Politik: Ausbauziele für EE sollten mit klaren Strategien für Curtailment und Speicher gekoppelt sein.
Netze: Statt immer mehr Leitungen zu bauen, lohnt es sich, Flexibilität stärker einzubeziehen.
Verbraucher: Mit dynamischen Stromtarifen und intelligentem Energiemanagement können Haushalte und Betriebe von den günstigen Überschusszeiten direkt profitieren.
Was Sonnentaler-Kunden heute schon tun können
PV + Speicher: Überschüsse mittags aufnehmen und abends nutzen.
HEMS / dynamische Tarife: Stromverbrauch in günstige Stunden legen – automatisch gesteuert durch intelligente Systeme wie SolarEdge ONE.
Sektorenkopplung: PV-Überschüsse für Wärmepumpen oder das Laden von Elektrofahrzeugen nutzen.
So werden volkswirtschaftliche Vorteile direkt zu privaten Einsparungen.
Fazit
Mehr Erneuerbare, bewusstes Abregeln und Flexibilität sind kein Widerspruch – sondern der Schlüssel zu einem sauberen, sicheren und bezahlbaren europäischen Stromsystem.
Quellen
pv magazine (24.09.2025): Renewables overbuilding, proactive curtailment can reduce Europe’s energy system costs
Energy Economics (2025): The new merit order: The viability of energy-only electricity markets
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0140988325002634
BloombergNEF (2025): Curtailment as a feature, not a bug
StrategicEnergy.eu (19.09.2025): Activating flexibility in Europe could save € 11–29 billion annually on grids
StrategicEnergy.eu (04.09.2025): Record curtailment in summer 2025
Reuters (23.09.2025): Grid investors keen on Europe as transition creates openings
Agora Energiewende (2025): Making the most of green electricity